Spanien: Viva la Revolución
Während bei uns ein Weingut möglichst klein sein muss, um als fein gelten zu können, ist die spanische Durchschnittsbodega stolz auf ihre Ausmasse. Gerne zeigt man die riesigen Rebflächen her und eine Besichtigung der grossen Holzfasskeller gehört bei vielen Weingutsbesuchen einfach dazu. Spanien ist das Land mit der grössten Rebfläche überhaupt und dagegen gibt es eigentlich auch nichts einzuwenden. Wein ist in Spanien ein wichtiger Wirtschaftszweig. Es ist dementsprechend nur logisch, dass man das Thema dort etwas anders behandelt als bei uns. Viele spanische Weine sind ganz einfach Produkte, die Jahr für Jahr einen ähnlichen Charakter zeigen sollen und die natürlich auch möglichst jedem schmecken sollen. Das Dilemma ist nicht nur vorprogrammiert, sondern längst Realität: Spanien ist beliebt und bekannt für Massenweine, für Weine mit klarem Charakter aber selten mit klarer Herkunft.
Sogar im Spitzenbereich werden spanische Weine nicht immer nach der genauen Herkunft bewertet. Ein Rotwein mit der Bezeichnung Gran Reserva muss nicht in besonders guten Lagen wachsen, er muss einzig ein Jahr im Holzfass und mindestens drei Jahre insgesamt im Fass und der Flasche reifen, bevor er verkauft werden darf. Kein Wunder, dass die meisten Gran Reservas in erster Linie vom Holzfass geprägt sind, nach Kokos, Vanille und Gewürzen riechen und damit Frucht und Mineralität gelinde gesagt maskieren.
Doch da brodelt etwas in der spanischen Weinwelt! In den letzten Jahren haben wir vermehrt Projekte kennenlernen dürfen, die ganz anders funktionieren, Winzer, die uns mit Begeisterung ihre oft uralten Rebbestände präsentieren und deren Weine ganz anders sind als der typische „Spanier“ auf der Weinkarte der Zürcher Durchschnittsbeiz. Die Frage, wie eine Umgebung, eine Bodenstruktur oder eine Region wirklich schmeckt, treibt auch in Spanien viele Weinmacher an. Man muss sie nur finden…
Ein berühmtes Beispiel sind die Weine aus der Region Ribera del Duero, über die viele ältere Weinmacher erzählen, dass sie früher – vor dem kommerziellen Erfolg im Ausland – ganz anders schmeckten als heute, dass sie niemals so schwer und auch nicht allein von Frucht und Holz geprägt waren. Den Beweis dafür treten dort gleich mehrere Bodegas an. So etwa auch die beiden Güter Hacienda Solano und Gallego Zapatero, die wir seit einigen Jahren führen. Beide werden von der französischen Önologin Sophie Kuhn beraten. Sie implementierte in den Gütern, was eigentlich schon lange überfällig war: Kuhn perfektionierte zunächst die Weinbergsarbeit und fuhr die Technik im Keller auf ein Minimum zurück. Ein wichtiges Thema für sie – und allgemein für alle Rotweinregionen Spaniens – ist das Tanninmanagement, also das perfekte Extrahieren der Traubeninhaltsstoffe für maximalen Geschmack ohne störende, trocknende Tannine. Denn was man bei vielen klassischen Spaniern mit Süsse oder starkem Fassausbau zu kaschieren versucht, ist in Wirklichkeit nach der Vinifikation oft nicht mehr zu retten.
Wie viele andere Betriebe in Spanien setzt Sophie Kuhn heute auf den Einsatz von französischen Barriques, die aromatisch dezenter sind als das amerikanische Holz, das in Spanien klassischerweise verwendet wird. Eine gute Entscheidung, wie die Entwicklung der Weine zeigt – Jahr für Jahr werden sie feiner, eleganter und trinkiger.
Sophie Kuhn ist nur ein Beispiel für eine wachsende Gruppe von Weinmachern, die in Spanien quasi eine Revolution losgetreten haben. Das Weingut Mas Candi katapultiert den Spass-Schaumwein Cava mit strikter Selektion auf ein neues Niveau, Die Bodegas Fulcro setzt in Rias Baixas auf Lagenweine statt grosse Cuvéetiertanks, die Succés Vinicola hilft der Sorte Trepat zu neuem Ansehen. Und unser Neuzugang José Beneitez von El Hato y El Garabato hat sich zur Aufgabe gemacht, der Region Arribes zu neuer Aufmerksamkeit zu verhelfen. Denn der verwunschene Landstrich am Ufer des Douro ist nicht einfach unbekannt, sondern förmlich in Gefahr. Viele der hiesigen Winzer verkaufen ihre teils uralten Rebflächen an grosse Güter in bekannten Regionen wie Rueda, denn nur wenn diese anderswo Rebflächen roden, ist es ihnen erlaubt noch mehr zu pflanzen. Ein Desaster.
José hatte das Glück, einige alte Parzellen von überzeugten Arribes-Bewohnern übernehmen zu können und so kultiviert er primär alte Reben von hier heimischen Sorten, die selbst wir zuvor noch nie getrunken hatten. Sein Rotwein heisst Sin Blanca und besteht zum grössten Teil aus der Traube Juan Garcia. Sin Blanca hat er den Rotwein getauft, weil dieser keine weissen Trauben enthält, was in der Region über Jahrhunderte üblich war. Ein dunkelfruchtiger Wein mit knackig-frischen Gerbstoffen, einer tiefgründigen Frucht und auch einer gewissen Mineralität. Ein Wein, der Ausdruck seiner Herkunft ist, der kargen, verwunschenen Gegend Arribes mit ihren Hügelchen und moosbewachsenen Felsen. Ein spanischer Wein wie er sein sollte eben.