Schäumer mit Knalleffekt
Verstand reicht nicht immer, um Gutes zu erschaffen, manchmal muss es Glück sein. Ob Mikrowelle, Röntgenstrahlen, Porzellan, Eis am Stiel oder Schaumwein – alle diese Erfindungen basieren auf reinem Zufall. Wo genau der erste Schaumwein entstand, ist nicht mehr hundertprozentig nachvollziehbar. Gleich mehrere Regionen in Frankreich beanspruchen dieses Ereignis für sich. Es war wohl Ende des 16., Anfang des 17. Jahrhunderts als irgendwo in Frankreich eine zweite Gärung auf der Flasche stattfand. Die erste traditionelle Flaschengärung mit einem überraschenden Resultat: Kohlensäure und somit Bläschen im Wein. Auch heute noch ist die «Méthode Traditionelle» die Basis für fast alle hochwertigen Schaumweine.
In den Anfängen war dieser Produktionsschritt gefährlich. Anstelle dickwandiger, druckbeständiger Spezialgebinde wurden normale Weinflaschen verwendet und die explodierten durch den entstandenen Überdruck zuhauf. Weine des Teufels nannte man die schäumenden Tropfen deshalb auch. Die Kellermeister in der Champagne trugen aus Sicherheitsgründen Eisenmasken, was sie wie mittelalterliche Folterknechte aussehen liess. Bis sie die Masken ablegen konnten, dauerte es eine Weile. Erst die kontrollierte Flaschengärung machte es möglich, diese Urgewalt zu bändigen.
In der Champagne und drum herum
Nur Schaumweine, die ausschliesslich aus Trauben aus der Champagne und auch dort produziert werden, dürfen sich Champagner nennen. Die klassischen Rebsorten sind Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier, also auch zwei rote Sorten. Unser Champagnerwinzer Eric Rodez verwendet reichhaltige Pinot Noir- und kräftige Chardonnay-Trauben, die sich optimal für die Produktion trockener Champagner eignen, wie wir sie mögen. Allgemein gibt es aber Schaumweine mit ganz verschiedenem Süssegrad, in der Fachsprache spricht man dabei von Dosage und gibt diese in Gramm pro Liter an. Ausserhalb der Champagne heissen die französischen Schäumer Crémants. Wir mögen vor allem jene aus Limoux im Languedoc. Dort produziert unser Winzer Alain Cavaillès von der Domaine le Moulin d’Alon einen wahren Gassenhauer: den Crémant «Résillence». Auch der kommt mit wenig Restzucker aus. Nur 4 Gramm sind es, was der Bezeichnung Extra Brut entspricht. Doch woher kommt eigentlich der Zucker im Schaumwein? Der wird nach der Flaschengärung und dem Degorgieren zugesetzt. Wenn die Schaumweine degorgiert sind, also wenn der Hefepropf entfernt wurde, wird eine Zuckerlösung mit Schwefel hinzugegeben, bevor der Schaumwein mit einem Korken endgültig wieder verschlossen wird.
Nicht nur Frankreich besitzt eine lange Schaumweintradition. Die spanische reicht zurück bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Damals soll der erste Cava, so nennen die Spanier ihre Schäumer, vergoren worden sein. Auch er wird im Flaschengärverfahren produziert und darf in genau 159 spanischen Gemeinden produziert werden. Xarel·lo, Macabeo, Parellada heissen die Rebsorten aus denen die meisten Cavas gemacht werden. Unser Produzent in Katalonien, Ramón Jané von Cava Mas Candi, setzt auf strenge Selektion bei den Trauben, nur so kann er hier knochentrockene, einzigartige Schaumweine machen.
Natürlich ist nicht immer der Moment für komplexe Prickler und dafür gibt es die fruchtig-frischen Prosecci aus Italien. Giovanni Gregoletto, Winzer und Kultfigur, macht neben konventionellen Prosecci auch einen trockenen, flaschenvergorenen «Sui lieviti». Eigentlich eine alte aber häufig vergessene Tradition im Prosecco-Bereich, denn die meisten Weine aus diesem Gebiet bekommen ihre Kohlensäure nicht bei der zweiten Gärung auf der Flasche, sondern in grossen Drucktanks. Das ist auch so bei anderen, lange unterschätzten Exoten wie dem Lambrusco. Zu den kräftigen Speisen an den kommenden Festtagen gibt es unserer Meinung nach nichts besseres als einen saftigen Lambrusco, wie den der Fattoria Moretto.