REB Wein Blog

REB Weine erzählen alle ihre ganz eigenen Geschichten und diese lest Ihr hier. Von Traube, Boden, Klima und natürlich Mensch.

REB Wein Geschichte N°56

Reboot Lambrusco

Lambrusco gehört zu den Weinen, von denen viele Menschen eine Vorstellung haben – und viel zu oft werden diese Weine als einfach oder gar schlecht vorverurteilt. Fast immer fussen diese Erfahrungen auf irgendeinem süssen Billigfusel aus dem Supermarkt, den man etwa zu Studienzeiten auf einer WG-Party trinken musste. Mit entsprechenden Nachwehen. Das ist schade, denn diese Weine entsprechen weder der Realität noch den qualitativen Möglichkeiten, die der traditionelle Schäumer aus der Emilia-Romagna bietet.

Doch es ist verständlich: Weil Lambrusco zu lange in einer Handvoll Weinfabriken in grossen Drucktanks aus Trauben eher zweifelhafter Qualität produziert und zu Billigstpreisen verramscht wurde – weshalb sein Ruf auch irgendwie zu Recht litt. Mehr dazu liest Du in unserem Blog-Beitrag vom letzten Jahr.
 
Die Neuentdeckung des traditionellen Lambrusco «rifermentato» oder «frizzante» – Wein also, der in der Flasche eine zweite Gärung durchläuft – ist noch relativ jung. Lange Jahre durchlebte dieser Stil einen Dornröschenschlaf und wurde nur in kleinem Massstab, meist für den Eigengebrauch, hergestellt.
 
Gianluca Bergianti gehört mit seiner 2008 gegründeten Farm Terrevive heute zu den Vorreitern des neuen Lambrusco, der auch in den Weltmetropolen bei den aufgeschlossenen Sommeliers internationale Aufmerksamkeit geniesst. Terrevive gründete er gemeinsam mit seiner Frau Simona. 16 Hektar bewirtschaften die beiden, wobei sie neben Wein auch Gemüse oder Getreide anbauen. Simona und Gianluca lernten sich während des Studiums der Agrarwissenschaften kennen. Heute kümmert er sich um die Produktion der Weine, sie um die anderen Erzeugnisse, die ab Hof aber auch auf dem Markt im nahen Carpi verkauft werden. Der Anbau auf Terrevive erfolgt mittels biodynamischen Methoden, wobei Gianluca und Simona den Begriff traditionell bevorzugen. Die Weine werden allesamt spontan vergoren und mittels zweiter Gärung zum Schäumen gebracht – Zucker wird den Weinen dafür aber nicht zugesetzt, die traditionelle Methode in der Region sieht vor, kalt aufbewahrten Traubensaft hinzuzufügen, um den Wein erneut zum Gären zu bringen. So machen es auch Bergianti und seine Mitstreiter. Mehr Naturwein geht kaum – in der Emilia-Romagna kennt man das schon lange.
 
Zu Bergiantis Mitstreitern gehört etwa Marco Bertoni von Il Farneto. 35 Hektar gross ist sein Hof, wobei nur auf acht Hektar Reben bewirtschaftet werden. Er befindet sich auf den Hügeln zwischen Canossa und Scandiano, auf der namensgebenden Farneto-Hochebene im Hinterland der Reggio Emilia. Wälder und Schluchten wechseln sich hier ab, die Böden sind von Sand und Lehm geprägt. Von Anfang an setzte Marco auf einen biologischen Anbau, wobei er beim Wein heute auch biodynamische Methoden anwendet. Die Vinifikation erfolgt strikt naturnah – «traditionell» eben. Marco setzt weder Reinzuchthefen noch andere Mittel ein, seine Schaumweine vergärt er mittels der Zugabe von Traubenmost auf der Flasche. Neben verschiedenen Lambrusco-Varietäten kultiviert er auch Sorten wie Sauvignon Blanc oder die lokale Weissweinsorte Spergola. Neben schäumenden Weinen – hier frizzante genannt – produziert er daraus auch Still- und Orangeweine - die Region scheint auch dafür wie gemacht, denn die Säuren sind dank des milden Klimas recht hoch und die Weine somit auf natürliche Weise stabil. Eigentlich verwunderlich, dass man hierzulande eher den Essig aus der Region von Modena trinkt als die Weine, die die Region hervorbringt.
 
Max Brondolo von Sottoilnoce gehört zur neuesten Garde der Lambrusco-Winzer – sein Weingut befindet sich im Örtchen Castelvetro di Modena, unweit der gleichnamigen Stadt – der Hochburg des erwähnten Aceto Balsamico. Früher war Max Banker und Unternehmer und trank alles, was Rang und Namen hatte. Als er sich 2017 dazu entschied, Winzer zu werden, wollte er zurück zu seinen Wurzeln. Schon Max’ Grossvater produzierte in seiner Heimat Asti im Piemont Wein für die Familie und handelte nach dem Krieg von Mailand aus mit Barbera-Weinen. Max hatte das Glück einen Rebberg kaufen zu können, auf dem Stöcke alter, fast vergessener Lambrusco-Varietäten standen. Diese bringen zwar nur noch wenig Ertrag, er nutzt das Rebmaterial aber für Vermehrungen für Neuanpflanzungen. Ausserdem setzt er sich im Rahmen eines Projekts mit der Universität von Ravenna für die Erhaltung alter Sorten ein.
 
Max’ Weinbereitung ist einfach, er baut die Trauben biodynamisch an, vergärt spontan und setzt dann auf eine zweite, mittels Traubensaft angestossene Gärung in der Flasche. Was ganz nach modernem Naturwein tönt, fusst auch hier auf nichts anderem als Tradition. Seine Weine sind der ehrliche Ausdruck des Landes, auf dem sie wachsen. Weine für jeden Tag, die nicht anstrengen und gerade darum so viel Spass bereiten. Weine, die zur aktuellen Zeit und zu den Trends in der Weinwelt passen wie kaum ein anderes Gewächs. Lambrusco eben.