REB Wein Blog

REB Weine erzählen alle ihre ganz eigenen Geschichten und diese lest Ihr hier. Von Traube, Boden, Klima und natürlich Mensch.

REB Wein Geschichte N°58

Thymiopoulos: zwischen Himmel und Erde

Wer an Griechenland denkt, stellt sich eher weiss getünchte Häuser vor azurblauem Meer als saftig grüne Wiesen, Hügel und schneebedeckte Berge vor. Genau so sieht aber die Gegend um das in Makedonien im Norden des griechischen Festlands gelegene Städtchen Naoussa aus. Von dort stammt der stämmige Apostolos Thymiopoulos, den wir 2019 zum ersten Mal besuchten.

Nicht nur die physische Präsenz von Apostolos Thymiopoulos ist beeindruckend, er strahlt eine Energie und Leidenschaft aus, die ansteckend wirkt. Mit seinem unermüdlichen Tatendrang und seiner visionären Art hat er seine Heimatregion auf die besten nationalen und internationalen Weinkarten gebracht, und das, obwohl vor 20 Jahren noch kaum jemand in der Weinszene überhaupt von Naoussa gehört hatte.
 
Naoussa war die erste griechische Weinregion, die im Jahr 1971 mit einer Herkunftsbezeichnung (PDO) geschützt wurde. Die einzige dort zugelassene Traubensorte ist Xinomavro, deren Name übersetzt «saure Schwarze» bedeutet. Wegen ihres hohen Säuregehalts wird Xinomavro oft zur Herstellung süsser oder halbtrockener Weine verwendet. Wenn sie aber trocken gekeltert wird, kann das Resultat bemerkenswert sein, besonders wenn ein Meister wie Thymiopoulos am Werk ist, dessen ganzes Sortiment auf der autochthonen Sorte beruht.
 
Thymiopoulos wuchs in einer Familie auf, die seit Generationen Weinbau in Naoussa betreibt. Er war allerdings der Erste in der Familie, der Önologie studierte und die Trauben selbst verarbeitete - 2005 entstand sein erster Wein «Chi Kai Ouranos» oder «Earth and Sky», ein komplexer, lagerfähiger und eleganter Rotwein, der die Weinlandschaft Naoussas grundlegend veränderte. Die Gegend ist heute für ihre Terroirweine bekannt, die oft mit piemontesischen Nebbiolos oder roten Burgundern verglichen werden.
 
Die 23 Hektar Reben, aus denen seine Trauben stammen, werden teils von Thymiopoulos selbst, teils von benachbarten Bauern bewirtschaftet – streng nach biologisch-biodynamischen Richtlinien, denn Nachhaltigkeit ist für ihn ein zentrales Thema. Die Rebberge liegen in zwei Subregionen, Trilofos und Fytia, deren Terroirs sich stark unterscheiden. Die Trilofos-Rebberge liegen tief, auf 100 bis 220 Metern über Meer und wachsen auf Kalksteinböden. Kühlende Winde, entweder von den Vermio-Bergen im Nordwesten oder von der Ägäis im Osten, sorgen dafür, dass die Trauben trotz der intensiven Sonneneinstrahlung nicht überreif werden. Die Trilofos-Weine sind kräftig, dicht, reich an Gerbstoffen und äusserst lagerfähig. Auch die Trauben für Thymiopoulos’ Flaggschiff Earth & Sky entstammen diesen Rebbergen.
 
Die Rebberge Fytias liegen höher, auf 400 bis 650 Metern über dem Meer. Diese Lagen sind kühl, mit kargen Schiefer- und Granitböden. Die Wurzeln müssen auf ihrer Suche nach Wasser tief graben. Die Trauben, die dort wachsen, reifen spät, die Ernte findet im Oktober statt. Daraus entstehen Weine, die fein und elegant sind, mit viel Frische und expressiver Aromatik. Ein gutes Beispiel für die Eleganz dieser Weine ist der Alta Naoussa, ein fruchtbetonter Xinomavro, mit einem kühlen, zurückhaltenden Charakter. Etwas kräftiger und doch sehr trinkig ist der Jeunes Vignes, der saftige Fruchtaromen mit herbalen Noten verbindet. Ebenfalls aus den Rebbergen Fytias stammen die Trauben, die die Grundlage des beliebten Rosé Xinomavro von Thymiopoulos bilden. Der Ausbau im Eichenfass verleiht diesem Wein eine besondere Komplexität, die sonst nur selten in griechischen Rosés zu finden ist.
 
Obwohl sich Apostolos Thymiopoulos getrost auf seinen Lorbeeren ausruhen könnte, hat er bereits seine nächsten Projekte in Angriff genommen. Atma heissen seine neusten Weine, Griechisch für Seele. Hinter der Etikette verbergen sich sein erster Weisswein, ein Blend aus Blanc de Noir Xinomavro und der aromatischen Traubensorte Malagousia, die beide in hohen Lagen von Naoussa wachsen, und ein Rotwein, der den kühlen Xinomavro mit der mediterranen Traubensorte Mandilaria verbindet. Obwohl beide den Ruf haben, tanninreiche, rustikale Weine zu erzeugen, ist das Resultat des Blends ein sanfter, fruchtig-würziger Gaumenschmeichler. Die Mandilaria stammt von der Insel Santorini, wo Thymiopoulos seit ein paar Jahren Rebberge besitzt, ebenso wie in Rapsani am Fuss des Bergmassivs Olymp.
 
Um die terroirspezifischen Charakteristika seiner Trauben zu erhalten, arbeitet Thymiopoulos nicht nur im Rebberg, sondern auch im Keller äusserst zurückhaltend. Nur die besten Beeren werden ausgewählt, sie vergären spontan im Stahltank. Anschliessend reifen die Weine in grossen Holzfässern, die kaum Einfluss auf deren Geschmack nehmen. So keltert Thymiopoulos Weine, welche die Vielseitigkeit von der Weinregion Naoussa und der Traubensorte Xinomavro in den Vordergrund rücken. Kein Wunder, ist dieser grosse Könner in den letzten Jahren zu einem internationalen Botschafter für griechischen Wein geworden – auch in der Schweiz.