Lambrusco: Einfach im besten Sinne
Lambrusco!?! Wir möchten uns gleich vorweg bei allen entschuldigen, bei denen dieser Begriff ungute Erinnerungen oder Gefühle weckt, für die Lambrusco ein Reizwort ist. Der rote Schäumer aus der Emilia-Romagna hat einen schweren Stand hierzulande, dessen sind wir uns bewusst, und das zu einem grossen Teil selbst verschuldet.
Lambrusco gilt als der italienische Billig- und Kopfwehwein schlechthin – und in der Tat werden rund 95 Prozent der Weine mit diesem Namen auch treffend in Supermärkten zu Spottpreisen verschachert. Die restlichen 5 Prozent aber haben es in sich, das beweisen nur schon die exquisiten Lambrusco-Neuzugänge in unserem Sortiment. «Wer heute noch verächtlich von Lambrusco spricht, verrät damit nur, wo er seinen Wein kauft. Und dass er mit Scheuklappen durch die Weinwelt tappt», schreibt Andreas Merz in der aktuellen Ausgabe von Merum. Besser könnten wir es nicht formulieren. Dennoch verstehen die meisten Menschen unter Lambrusco einen süssen, roten und sehr einfachen Wein. Zutreffend ist dabei eigentlich nur das letzte Attribut. Ja, Lambrusco ist einfach – das aber im positiven Sinne. Lambrusco ist unkompliziert, ein durch und durch spassiger Trinkwein, der nicht mehr sein will als er ist. Kein lagerfähiger Spitzenwein, kein Premier Cru und auch keine Champagner-Alternative, sondern bloss ein ehrlicher Tischwein, der zu vielerlei Speisen – insbesondere aus der Emilia-Romagna – passt. Berühmt ist die Emilia-Romagna, Heimat des Lambrusco, für Parmesan und Rohschinken. Dazu passt er perfekt, der Lambrusco. Aber auch zu pflanzenbasierten Antipasti, zu Pizza Napoletana oder Pizza Fritta ist Lambrusco ein herrlicher Begleiter. Vor allem wenn er trocken ist, wie die Lambruscos, die in Italien konsumiert werden und nicht süss wie die meisten in Massen exportierten Exemplare.
Die Herstellung des Lambruscos ist zwar reglementiert, doch sind es vor allem grosse Kooperativen und Kellereien, die die Regeln und die Produktionsrealität bestimmen. Mit 29 Tonnen pro Hektar ist die erlaubte Erntemenge pro Hektar beim Emilia Lambrusco IGT hoch. So richtig hoch. Bei einem Barolo beispielsweise sind nicht mehr als 8 Tonnen erlaubt. Zugegeben: Diese zwei Weine bewegen sich in verschiedenen Sphären. Lambrusco soll gar nicht dicht oder komplex sein, sondern trinkig und eben im besten Sinne einfach. Auch der allerbeste Lambrusco ist nicht wirklich teuer und das soll genau so sein.
Für die Herstellung von Lambrusco gibt es verschiedene Methoden. Die grosse Masse wird mittels Methode Charmat hergestellt, also in grossen Drucktanks wie Prosecco. Sogar Spitzenweine vieler Kellereien erhalten ihre Perlen durch dieses eindeutig industrielle Verfahren. Traditionell war das aber nicht so! Traditionell stellten die Bewohner der Emilia ihren Lambrusco selbst zu Hause her – mit ganz einfachen Methoden. Die heute noch angewendete handwerkliche Methode ist die «Rifermentazione». Dafür wird ein Teil des Saftes nach dem Pressen bei kühlen Temperaturen aufbewahrt, damit dieser nicht zu gären beginnt, der Rest gärt in einem Tank durch. Im folgenden Frühling wird der Wein mit dem aufbewahrten Most beimpft und in Schaumweinflaschen ein zweites Mal auf natürliche Weise vergoren. So entsteht ein durch und durch natürlicher roter Schäumer, der Lambrusco Rifermentato.
Während viele Leute unter dem Namen Lambrusco nur einen Wein verstehen, ist damit übrigens eine ganze Rebsortenfamilie gemeint. Auf Italienisch bedeutet das Wort Lambrusco so viel wie «Wildrebe» und Genanalysen zeigen, dass die einzelnen Lambruscotypen tatsächlich von wilden Reben aus der Region abstammen. Weit verbreitet ist beispielsweise die Sorte Lambrusco Grasparossa, die besonders dunkelfarbige Weine ergibt. Der Fontana dei Boschi von Lambrusco-Altmeister Vittorio Graziano wird beispielsweise aus dieser Sorte hergestellt. Der handwerklich arbeitende Winzer, der seit Kurzem zur REB Wein-Familie gehört, erreicht die erlaubten Höchsterträge bei Weitem nicht. Seine Reben wachsen im hügeligen Gebiet am Rand der Anbauzone, dort wo der Traubenanbau für die Grosskellereien zu aufwendig und zu teuer wäre. Der erwähnte Fontana de Boschi ist ein Oldschool-Lambrusco, wie er im Buche steht. Trocken, angenehm prickelnd und ein perfekter Begleiter etwa zu feiner Pizza Napoletana.
Eine weitere Lambrusco-Varietät ist der hellrote Lambrusco Sorbara aus der Winzer Gianluca Bergianti einen köstlichen, roséfarbenen Lambrusco keltert. Die Sorte Salamino aus der Bergiantis Perfranco hergestellt wird, fällt gar am hellsten aus, die Farbe ist bei diesem Wein fast zwiebelschalenartig, der Geschmack aber typisch Lambrusco – trinkig und kein bisschen kompliziert. Auch dieser Wein passt perfekt zur rustikalen italienischen Küche. Im Gegensatz zum Lambrusco Sorbara – ein perfekter Pizzawein – würde man den helleren Salamino allerdings eher mit einer Pizza Bianca kombinieren, einer Version ohne die typische Tomatensauce.
Die Bewirtschaftung auf Bergiantis Hof Terrevive basiert auf biodynamischen Prinzipien, wobei Gianluca und seine Frau Simona den Begriff traditionell bevorzugen. Die Gärung ist durch die Bank spontan und die Eingriffe im Keller minimal – Bergiantis Weine werden weder geschönt noch filtriert und wenn nur minimal geschwefelt. Ganz anders als die Lambruscos aus den Weinfabriken für die Supermärkte.
Auch der dritte Lambrusco-Produzent in der REB Wein-Familie setzt auf die Natur und auf Handwerk ganz ohne Drucktanks oder Filteranlagen. Marco Bertoni von Il Farneto bewirtschaftet auf einer Hochebene zwischen Reggio und Modena rund 10 Hektar Reben nach biodynamischen Richtlinien. Er macht neben prickelndem Lambrusco auch Schaumweine aus anderen Sorten sowie herrliche Stillweine, etwa aus der lokalen Sorte Spergola. Seine natürlichen Prickler finden insbesondere in Japan reissenden Absatz und so haben wir grosses Glück, auch ein wenig für die Schweiz bekommen zu haben.
Der derzeitige Erfolg der handwerklichen Lambrusco-Weine ist mitunter dem Naturwein-Trend geschuldet, der Besinnung auf alte Weinstile und Methoden. Pét Nat beispielsweise ist schliesslich auch in aller Munde, nur fehlt es diesen Weinen oft an Tradition. Dem Lambrusco kann man das nicht nachsagen, schliesslich war die Traubensorte als Lambrusca bereits den Römern ein Begriff. Der Prickler aus Emilia-Romagna trifft den Nerv der Zeit perfekt.